Die Medien missverstehen
In seinem Buch „Understanding Media“ (dt. Ausg.: „Die Magischen Kanäle“) mit dem Untertitel „The Extensions of Man“ verkündet Marshall McLuhan der Welt, dass “das Medium die Botschaft” ist, und dieser Gedanke vom Medium als Botschaft prophezeit, wie es jeder Wikipedia konsultierende Student bestätigen kann, einen weltweiten Umbruch von lokalen Kulturen zugunsten von zunehmend globalisierten Zuständen.
Diese globalisierten Zustände sind am besten mit McLuhans Begriff des „globalen Dorfes“ zu umschreiben, einer internationalen Kultur der „elektronischen Wechselbeziehungen“. Heute hat sich diese Kultur in einem Raum von vernetzbaren Flüssen materialisiert. Wir nennen ihn das Internet.
McLuhans Ansichten waren sicherlich sehr umstritten. Mit Nachdruck bestand er darauf, dass die Technik an sich kein moralisches Hilfsmittel für die Gesellschaft sei.
"Ist somit nicht offensichtlich, dass es stets genügend moralische Probleme gibt, auch ohne dass man auf technischem Gebiet einen moralischen Standpunkt bezieht?“
"Wollte man darüber ein moralisches Gejammer anstimmen, dann wäre dies so unklug, wie wenn man eine Säge verdammen würde, weil sie einem einige Finger abgetrennt hat."
Ich thematisiere dies gleich von Beginn weg, nicht weil ich ein McLuhan Experte wäre, der hier dessen veraltete Vorstellungen diskutieren will, sondern um festzuhalten, dass es für mich als interdisziplinären Künstler, der um die Welt reist, um an verschiedensten Orten und in verschiedensten Kunst- und Nichtkunstkontexten meine neue Kunst vorzutragen und auszustellen, sehr einfach ist, die moralische Dimension der sogenannten Globalisierung zu missverstehen oder sie erst gar nicht aufs Tapet zu bringen. Ich finde es vorteilhaft, die Medien zu missverstehen, und den Medienapparat, der mir zur Verfügung steht, zu missbrauchen, um so meine Kunst zu schaffen.
Der Begriff “Apparat” ist natürlich vorbelastet, und ich verwende ihn hier sehr locker, dies vor allem auch in Bezug auf das Werk von Vilém Flusser, der in seinem schmalen Band „Toward a Philosophy of Photography“ (dt. Ausg.: „Für eine Philosophie der Fotografie“) den Begriff für Geräte verwendet, die mit einem Bilder generierenden Programm arbeiten.
Flusser schreibt in „Toward A Philosophy of Photography“:
„Die Aufgabe einer Philosophie der Fotografie ist es, Fotografen auf die Freiheit hin zu befragen, und ihre Praxis auf der Suche nach Freiheit zu erforschen.“
Der Fotograf ist hier nicht einfach jemand, der die Kamera benutzt, um Bilder zu machen, sondern eine Art Sci-Fi-Philosoph, der die neu entstehenden Medienapparate benutzt, um den Begriff des Schreibens zu erweitern, während er gleichzeitig neue Wege für die künstlerische Praxis in einer von Medien gesättigten Umgebung erschliesst, wie sie die meisten von uns heute kennen.
Weiter schreibt Flusser, dass “man die Starrheit einer Kamera überlisten kann”, dass “man menschliche Absichten ins Programm schmuggeln kann”, dass “man die Kamera zwingen kann, das Unvorhersagbare, das Unwahrscheinliche und das Informative zu generieren“ und dass “man die Kamera ausser acht lassen kann”, indem man sie als Ding ausser Acht lässt und sich ganz auf die Information konzentriert. Anders gesagt, Freiheit ist (für Flusser) „die Strategie, gegen die Kamera zu agieren“. Aber wie kann jemand gegen die Kamera agieren, und wer ist dieses schöpferische Wesen, das die Kamera als ein Werkzeug „zur Erforschung der Praxis auf der Suche nach Freiheit“ benutzt?
In meinem neuen Buch über Kunsttheorie, an welchem ich gerade schreibe, nenne ich dieses Wesen das Künstlermedium. Das Künstlermedium ist ein hacktivistischer Performer, der intuitiv das unbewusste Bereitschafts-Potential anzapft, um so in den Neuen-Medien-Diskurs, der den weltweiten Schauplatz der Globalisierung durchdringt, einzugreifen. Er ist bereit, sich mit allen greifbaren medialen Apparaten, die fortwährend neue Akte schöpferischen Ausdrucks möglich machen, zu befassen, mit ihnen zu spielen und zu improvisieren.
Für alle unter uns, die mit Absicht die normierenden Anwendungen dieser Apparate, die unseren Alltag durchdringen, zu “missverstehen” suchen, seien dies irgendwelche Speichergeräte, Kameras, Laptops oder sogar betriebliche, bürokratische oder behördliche Apparate, für alle ist die Erforschung der Praxis auf der Suche nach Freiheit eng mit einem Willen zur Ästhetisierung verbunden. Dies kann auch ein Anti-Ästhetisierungswille sein, der darin besteht, dass wir die Medien missbrauchen, nicht etwa um unsere moralische Überlegenheit zu demonstrieren, sondern um aufzuzeigen, wie wir diese Apparate in unseren Alltag integrieren. Wir wählen selektiv aus dem reichlich vorhandenen Quellenmaterial Samples aus, mit denen wir unser Leben schöpferisch remixen, unser Leben als Künstler, der sich per se gegen das „Verstehen“ wehrt. Wir können so mit unseren unbewusst generierten Akten der Kreativität, die Alfred North Whitehead in seinem philosophischen Werk „Process and Reality“ (dt. Ausg.: „Prozess und Realität“) „das Prinzip der Novität“ nennt, nach der Freiheit suchen.
Ich möchte ein Beispiel geben, wie sich eine kleine Schar von Leuten, mit denen ich letzten Sommer zusammengearbeitet habe, bereit erklärte, an ihrer örtlichen Netzwerkkultur zu partizipieren. Als Teil eines breiter angelegten praxisbasierten Forschungsprogramms begannen sie aktiv, ihre schöpferische Zusammenarbeit über mediale Sparten und Grenzen hinweg zu hybridisieren. Sie konzentrierten sich dabei auf Themen wie Fremdheit, menschliche Absicht, unbewusste Improvisation und Agitation gegen die Kamera.
Letzten Sommer, als ich als Artist in Residence eingeladen war und zwischen der schönen Zurück-zur-Natur-Region Cornwall und dem städtischen Treiben von London (wo mir je ein Stipendium vom Tate Modern-Museum und vom University College Falmouth zugesprochen worden war) hin und her pendelte, begann ich an meinem zweiten „abendfüllenden foreign film“ als Teil meiner „Foreign Film Series“ zu schreiben und Regie zu führen. Ich drehte diesen Film in Cornwall gänzlich mit einem Mobiltelefon. Die Besetzung und die Crew bestanden aus begeisterten Do-it-yourself-Amateuren, Netzkünstlern und Theoriestudenten mit einem Faible für das Arthouse-Kino, die Interesse bekundeten, mit mir an der zeitgenössischen Youtube-Video-Ästhetik, wie ich sie hier aus Mangel eines besseren Begriffs nenne, zu experimentieren. Wir stellten Bezüge her zu Filmen von einigen unserer Lieblingsfilmer wie Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman, die beide, wie es das Schicksal wollte, während unserer Produktionszeit und am selben Tag starben. Die Produktion wurde in Echtzeit und als eine Art strukturierte Improvisation von unbekannter Länge komponiert. Im Wesentlichen gaben wir uns die Vorgabe, uns selbst zu „spielen“. Diese konstruierten Situationen hielten wir mit der Videokamera des mobilen Telefonapparats mit seiner schlechten und dennoch besser-als-je-Qualität gelegentlich fest. Diese konstruierten Situationen, eine Begrifflichkeit, die ich von den Situationisten gesampelt und für meine eigenen Zwecke manipuliert habe, waren Teil eines Gruppen-Dérive oder eines Treibens durch die Zeit. Es war eine Zeit, die uns oft zeitlos vorkam. Es war als ob die Tage der Sonnenwende kämen und verweilten. Zeitweilig kam es uns vor, als ob der Samstag sieben Tage hätte, und uns der darauf folgende Sonntag in einer schnellen Folge von nicht festhaltbaren blinzelnden Halluzinationen entwischen würde.
Tatsächlich werden dem Licht von Cornwall, der blossen Qualität des Lichts im Bezug auf unsere Sehweise des Himmels und der dramatischen Klifflandschaften besondere Eigenschaften nachgesagt. Es hat einige der seltsamsten surrealistischen und abstrakt expressionistischen Gemälde, die je gemalt worden sind, erst möglich gemacht. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg flohen zahlreiche europäische Surrealisten nach Cornwall. Ihre künstlerische Praxis hat sich durch ihren Aufenthalt in dieser Umgebung für immer verändert. Hier sind zwei Bilder aus diesem abendfüllenden “foreign film” mit dem Titel „Immobilité“ mit der französischen Schauspielerin Camille Lacadee und der polnischen Schauspielerin Magda Tyzlik-Carver:

Diese Form der sozial vernetzten Gruppenperformance, wie wir sie produzierten, während deren jeder in einer “temporär autonomen Zone” (TAZ), wie Hakim Bey es nennt, sein alltägliches Leben führte, ist nicht unbedingt neuartig. Es gibt grossartige und vorrangige Arbeiten wie "Chelsea Girls" von Andy Warhol, "Jubilee" von Derek Jarman, erwähnenswert ist auch "Pink Flamingos” von John Waters, oder in einem intimeren Rahmen der Film "Fuses" der feministischen Performerin Carolee Schneeman. Dennoch war die Arbeit für uns anregend und voll von Missverständnissen, die wir nie wirklich erfassten, die aber während der Produktionszeit den Grad unseres Begehrens und unserer Ängste steigerten.
Was in unserem Leben als Kunst-Forscher hat uns dazu bewogen, an dieser strukturierten Improvisation teilzunehmen, die es uns ermöglichte, unsere intersubjektiven und dennoch autobiografischen Erfahrungen für ein künstlerisch gestaltetes Werk der Postproduktionskunst als Quellmaterial zu gebrauchen?
Ich sage „Postproduktionskunst“, weil mir scheint, dass heute alle Kunst Postproduktionskunst ist, denn indem wir unsere Praxis auf der Suche nach Freiheit erforschen, sampeln und manipulieren wir immer irgendwelches Quellenmaterial, das uns zur gegebenen Zeit zur Verfügung steht, und dem wir allzu sehr zugeneigt sind, um nicht verschiedenste Medientechnologien zu verwenden, um die Gegenwart weiter zu postproduzieren als einen Weg, selbst einen Schritt in die Zukunft zu tun.
Klar, erst wenn wir alle aufgenommenen Daten auf den Computer laden und mit dem Konstruieren von weiteren Situationen beginnen, kommt der Zeitpunkt, wo wir die verschiedenen Zeitfelder (Vergangenheit, Gegenwart, vergangene Zukunft) wirklich zu verwischen beginnen und uns als Künstlermedien herausfordern.
„Jeder Film ist ein fremder Film (foreign film)“, schreibt Atom Egoyan in der Einführung zu seiner Anthologie “Subtitles”, und tatsächlich ist „Immobilité“ voll von Untertiteln, auch wenn wir nicht zu jedem Zeitpunkt erkennen, woher die Stimmen kommen und wessen Texte beim Schreiben des Drehbuchs manipuliert und durch den Fleischwolf gedreht worden sind (bei „Immobilité“ ist es ein Remix von „The Production of Space“ von Henri Levebre, „The Practice of Everyday Life“ von Michel de Certeau, „The Language of the Body“ von Kathy Acker und „Die Ringe des Saturn“ von W. E. Sebald.)
Diese strategischen Missverständnisse, Missdeutungen, Fehlübersetzungen, Kommunikationspannen und Missbräuche von Technologien, die das Werk durchdringen, führt uns zu dem, was Whitehead „die neue Kreation von Zusammengehörigkeit” nennt – etwas, das Grenzen überwinden kann, je mehr wir immer wieder erforschen, was es heisst, ein Postproduktionskünstler zu sein, der überall auf Quellenmaterial zugreift. In „Process and Reality“ schreibt Whitehead: “[Â…] die ‚Kreation von neuer ZusammengehörigkeitÂ’ ist die Zielvorstellung, die durch den Begriff der Konkreszenz verkörpert wird. Diese Zielvorstellungen von ‚Kreation von NovitätÂ’ und ‚konkreter ZusammengehörigkeitÂ’ sind sowohl in Hinsicht auf höhere Universalien als auch in Hinsicht auf die Bestandteile, die an der Konkreszenz teilhaben, unerklärlich. Die Analyse der einzelnen Bestandteile führt von der Konkreszenz weg. Der einzige Zugang bietet die Intuition.”
Diese Konkreszenz, von der Whitehead spricht, weist in Richtung Vereinigung, Verschmelzung oder sogar Vermischung von Quellenmaterialien, auf welche der zeitgenössische Künstler als Remixologe in seinem täglichen Unterhalt angewiesen ist. Wie der zeitgenössische Künstler diese Element dann durchmischt, seien es Bilder, Geräusche, Text, Code oder andere mediale Elemente, ist Teil einer Strategie, die schöpferisch den Ist-Zustand der Informationsflüsse der Medienlandschaft missverstehen oder ihn mindestens schöpferisch zerstören will.
Die Idee der „schöpferischen Zerstörung“ des Ist-Zustandes stammt aus der Wirtschaft. Es ist die These von Joseph Schumpeter, einem Ökologen und Politikwissenschafter aus Mähren, der erste Theorien über die sogenannten „Konjunkturzyklen“ und den Unternehmergeist aufstellte. Er verstand den Unternehmergeist, wie wir ihn ja heute noch nennen, als eine Art “wilde Geisterschaft”, also als Innovatoren, die den ewigen Kreislauf unterbrechen können und so die Richtung, in die unser schöpferisches Kapital fliesst, verändern, indem sie das Risiko auf sich nehmen und sich ihrer Zeit voraus positionieren.
Aber das tönt nun wieder wie die alte Idee der Avant-Garde, oder nicht?
Man sagt, Avant-Garde-Künstler seien ihrer Zeit voraus, als ob das „voraus sein“ auf ein schöpferisches Wesen hinwiese, das, um Ezra Pound zu zitieren, wie als „Antenne der Gattung“ agiert.
Jean Cocteau wählte einen anderen Ansatz. Er schrieb: „Wenn ein Werk der Zeit voraus zu sein scheint, dann ist es die Zeit, die hinter dem Werk zurückgeblieben ist.“
Ist es möglich, dass Künstler „Missverständnisse“ als eine Strategie in der Erforschung ihrer Praxis auf der Suche nach Freiheit anwenden und gleichzeitig bewusst ihr Werk so situieren, dass es ihrer Zeit voraus ist? Oder geschieht dies einfach wie von selbst?
"Das Missverständnis als künstlerische Strategie” ist eines der Themen der folgenden Diskussionen. Um unseren Fokus in dieser Plenarsitzung offener zu halten, möchte ich meine Ausführungen beschliessen, indem ich anschliessen möchte an das, was die Moderatorin Maria Tarantino vor kurzem in einem Mailwechsel erwähnte. Sie fragte, ob das „Verstehen“ von anderen Kulturen oder von „Andersheiten“ für den schöpferischen Prozess wirklich notwendig sei. Weiterfahrend schlug sie danach vor, dass Kunst aus anderen Zeiten und von anderen Orten als eine Quelle der Inspiration dienen und so zu einem Teil einer allgemeinen Bildrepräsentation werden könne, ohne dass man den wissenschaftlichen oder kulturellen Kontext des Quellenmaterials kenne.
Das fand ich ziemlich anregend, da es eine Verbindung zu meinen derzeitigen Überlegungen zur zeitgenössischen Kunst schafft, insbesondere zur Netzkunst und zur Art und Weise, wie sie heute von der Netzwerkkultur ausgestellt, vertrieben oder sonstwie vermittelt wird. Dabei denke ich auch an die Arbeiten von Künstlerkollektiven wie The Yes Men, Reena Spauling, DJRABBI und etoy.
In diesem Mailaustausch mit Maria Tarantino schlug ich vor, dass die zeitgenössischen Künstler, mit denen ich arbeite oder die mich zu einer Zusammenarbeit reizten, vom “Verstehen” an sich weggekommen sind und sich nun eher auf „Quellenmaterial“ konzentrieren, das ihnen im grenzenlosen Netz zur Verfügung steht und das sie dann auf eine kreative Art remixen können. So lancieren sie „Gegenmassnahmen“ gegen die normierenden Massnahmen, die von den traditionellen Kräften, die wir ja überall im Alltag antreffen, verbreitet werden. Die Postproduktionskunst dieser zeitgenössischen Kunst-Hacktivisten bildet einen Teil einer weitergreifenden interventionistischen Strategie, die „die Erforschung ihrer Praxis auf der Suche nach Freiheit“ zum Ziel hat. Der Theoretiker Ken Wark philosophiert über die Ästhetik des Hacktivismus in seinem „Hacker Manifesto“: „Geschichte ist das Schaffen von Abstraktion und die Abstraktion des Schaffens. Der Unterschied zwischen Leben in einer Zeit und Leben in der nachfolgenden beruht auf der Anwendung neuer Abstraktionsverfahren, die der Notwendigkeit die Freiheit abringen sollen. Geschichte ist die ständige Vergegenwärtigung des Virtuellen, ein Hack nach dem anderen. Geschichte ist die kumulative und qualitative Ausdifferenzierung von gehackter Natur.“ (Hervorhebung M.A.)
Und ich füge hinzu, dass wir Künstler unbewusst dazu prädestiniert sind, das Abstrakte zu hacken, um damit eine heilige Pflicht, so fühlt es sich zumindestens an, auszuüben. Künstler sind durch ihre Gene mit der Innovation und der Suche nach neuen Kunstformen fest verdrahtet. Sie greifen ins unechte Bewusstsein des Augenblicks ein, UNSERES Augenblicks, der von neuen medialen Techniken, vom Informationsbombardement und von der politischen Korruptheit, wie wir sie in der gegenwärtigen globalen Finanzkernschmelze miterleben, übertüncht wird. Als ich in diesem Semester die angehenden Medienkünstler fragte, was für Überlebensstrategien sie sich in Anbetracht eines möglichen Worst-Case-Szenarios als Resultat der organisierten Korruption in den globalisierten Kapitalflüssen vorstellen könnten, diskutierten sie Vorreiter-Bewegungen und Philosophien, von denen sie sich immer angezogen fühlten und die nun neuen Widerhall bekamen, insbesondere die situationistischen Strategien des dérive und détournement, aber auch die TAZ, die “temporär autonomen Zonen” von Hakim Bey. Sie formulierten ihren Wunsch, von den Situationisten und Bey zu sampeln, um deren Ideen, Praktiken und Gebärden zu manipulieren. Mehr und mehr überzeugten sie sich davon, dass sie sich nun mehr als je befähigt fühlten, ihre eigenen privaten Utopias zu bauen und Gegenmassnahmen zu ergreifen, um die Alltagspraxis neu zu erfinden. Wir haben einen neuen Leitspruch im art lab:
Postproduziere die Gegenwart
Sehr interessant ist diese Aufnahme von einem Auftritt von McLuhan in der öffentlichen TV-Show einer etablierten kanadischen Rundfunkanstalt. Dieser Auftritt ist heute nur noch auf Youtube abrufbar. Er sagt da:
"Der Künstler, wenn er der Gegenwart ausgesetzt ist, der zeitgenössische Künstler, ist immer auf der Suche nach neuen Mustern, nach neuen Erkennungsmustern, das ist auch seine Aufgabe [...] Sein grosses Bedürfnis, die völlige Unentbehrlichkeit des Künstlers, ist, dass nur er und sein Ausgesetztsein in der Gegenwart, die Mustererkennung liefern kann [...] Nur er hat das Sensorium und das Bewusstsein, uns mitzuteilen, woraus unsere Welt besteht."
Was die Postproduktionskünstler uns heute mitteilen, ist, dass unsere Welt aus Quellenmaterial besteht, dass dieses überall gegenwärtig ist und dass es überall auf der Welt die hacktivistischen Strategien der Remixologen zum Leben erwecken kann.
Ich bitte Sie, Missverständnisse meinerseits zu verzeihen.
(Übersetzt von Adi Blum)